Kategorie: Graphic Novels | Comics

Eine Münchner Ausstellung mit deinem neuen Lieblings-Bilderbuch.

Das ist eines der kreativsten Bücher!  Christoph Niemann ist international einer gefragtesten Illustratoren. Der mittlerweile in Berlin lebende Ex-New Yorker schmückt die Titelseiten von NEW YORKER, New York Times, FAZ und SZ Magazin. Ich hatte das Vergnügen, seine Arbeiten im Wiener MAK im Original zu sehen. Jetzt ist endlich ein umfangreiches Buch mit einer Riesenauswahl seiner Kreativität erschienen. Viel Spass bereiten die immer wieder überraschenden Kombinationen aus Objektfotos (ein Mohnbrötchen als Stoppelbart) und Zeichnungen bzw. Aquarellen (Kopf mit Elektrorasierer). Schön, dass man bei manchen Abbildungen länger verweilen muss, denn Niemann erzählt reihenweise shortshort-Stories und von seiner Lego- oder Gummibären-Serie, seinen Reiseberichten und Bilderserien kann man sich stundenlang anregen und überraschen lassen.  Meine Empfehlung: wenn ihr Freunde zu Gast habt das Buch neben dem Esstisch drapieren – es liefert immer anregenden Gesprächsstoff  falls gerade mal die Stimmung abflacht.

Die Ausstellung mit seinen Werken ist bis 5. Mai im Literaturhaus München zu sehen.

Sunday Sketching, € 34,95  |  click.

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Christoph Niemann – Sunday Sketching
Christoph Niemann – Sunday Sketching

Packend und mysteriös: ein Heilbad in den Alpen verschlingt Menschen

Eine graphic novel rund um eine faszinierende Therme. 

Um die 1996 von Schweizer Stararchitekten Peter Zumthor gestaltete Berg-Therme Vals in Graubünden kennen zu lernen,  verlängerten wir vor einigen Jahren unseren Skiurlaub. Wir trafen auf einen Ort der völligen Reduktion auf Berg, Wasser und Ruhe. Folglich war es verboten, die Badeliegen auch nur fünf Minuten mit Handtüchern zu belegen – wie von Geisterhand wurden sie beiseite geräumt. Jetzt ist die Therme geheimnisvoller Schauplatz der überaus erfolgreichen graphic novel Der Magnet. Der Zeichner Lucas Harari (*1990) brach sein Architekturstudium ab und studierte dann alten Drucktechniken, lebt in Paris. Das beste aus beiden Studien fliesst in seine erste Veröffentlichung ein, die auf einen nachhaltigen Besuch als Kind in Vals zurückgeht. Mit seinem alter ego, dem Architekturstudenten Pierre, kehrt Harari an den beeindruckenden Ort zurück.

Gibt es eine Geheimtür zum Berg?

Der Magnet scheint in der Therme Vals verborgen. Das Heilbad besteht aus Betonquadern, die durch die Ummantelung mit regionalem, dunklem Gneis ihre einzigartige und geheimnisvolle Ausstrahlung erhalten. Mit seinem Zeichenblock (fotografieren verboten!) versucht Pierre, dem verschachtelten Geheimnis der Räume auf die Spur zu kommen: ist in der Therme das Tor zum Berg versteckt? Ein Berg, der Menschen anzieht und verschluckt, für kurze Zeit oder für immer, wie eine alte Geschichte erzählt. Und plötzlich verschwinden Pierres Aufzeichnungen.

Harari springt zwischen realer Umgebung (die Bewunderung für Zumthor ist sehr präsent) und Fiktion mit geheimnisvollen Begebenheiten hin und her. Mystery-Ungeübte wie ich müssen sich in die diversen Diffusitäten einlesen und auch damit leben, dass einige Erzählstränge offen bleiben.

Von Anfang an hatten Comics und Architektur eine enge Verbindung. Die zeichnerische Perspektive ist wichtiges Element in beiden Künsten, ebenso das Visionäre. Harari wechselt die Zeichenstile: ist Architektonisches im Spiel, zeichnet er eine ligne claire mit präzisen Konturen, superrealistischen Perspektiven und klarer Kolorierung, geht’s um Dramatik zeichnet er wie ein schnell geschnittener Action-Film.

Ein spannendes Bilder-Vergnügen bis zum Schluss!

Die geheimnisvolle Geschichte um die Therme am Berg ist auch für Mystery-Einsteiger ein dramatisches Vergnügen samt page-turner und bleibt spannend bis zum Schluss. Beim mehrmaligen Lesen des aufwändig gestalteten Buchs entdeckst du immer wieder neue Details und Anspielungen: E.A. Poes Rabe taucht in der Finsternis auf, ein Mini-Findling fällt Pierre bei der Anreise in die Hände und spielt immer wieder ein Rolle, Pierres nächtliches Abenteuer im Hotel heisst Ondine (die Wellengöttin). Erst das dicke, großformatige Abenteuerbuch und dann die Therme Vals – in beides muss man mal eintauchen.

Der Magnet  € 32 | [Anzeige] in deiner Buchhandlung oder bei  oder hier.

(c) Lucas Harari/edition moderne

Ein Hochhaus in der Lindenstrasse

Die Schulzes von nebenan: Lebensgeschichten auf 102 Etagen. Hochhäuser sind – so fern sie wohnlich und nicht als stupide Büros genutzt werden – ein besonderer Mikrokosmos. Ähnlich wie Menschen im Hotel bieten sie genügend Geschichten mitten aus dem privaten, sozialen und politischen Leben. Betrogene Partner, vernachlässigte Rentner, schwer erziehbare Kinder, skurile singles und durch geknallte Wohngemeinschaften erzählen in jeder Etage eine eigene short short story, mal als humoriger Cartoon, mal als nachhaltiger Comic strip. Als studierte Architektin weiß die Berliner Künstlerin Katharina Greve, wie wichtig die Statik beim Bau ist: immer wieder verwebt sie Geschichten mit anderen Etagen und Menschen und gibt dem Turmbau Stabilität, denn alles passiert gleichzeitig. Alles wie eine Kurzfassung der Lindenstrasse, nur wesentlich kompakter und vor allem lustiger.

Medial wurde Greve am 11. Februar 2013 berühmt: Ihr Cartoon-Beitrag zu einem Abreisskalender am Vortag zeigt Papst Benedikt mit den Worten „Morgen trete ich zurück.“ Wie wahr. Das Hochhaus ist im Herbst 2015 als Internetserie  gestartet und nun als echtes Buch zum Blättern gelandet – ein toller Baufortschritt!

Katharina Greve, Das Hochhaus, € 20 | click.