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„Ja twoi rabotnik“. Ein Buch über die Roboter des deutschen Pop und ihre Musik: KRAFTWERK.

Die gute Nachricht zuerst: das Buch ist so umfangreich und informativ, dass du es nicht in einem Sitz lesen musst. Man muss für MENSCH MASCHINEN MUSIK auch kein hardcore-fan von Kraftwerk sein. Das vom Kulturwissenschaftler und –journalisten Uwe Schütte herausgegebene Buch ist sehr detailliert zusammengestellt und zeigt praktisch alle Aspekte des Gesamtkunstwerks KRAFTWERK. Da bleibt nichts mehr offen.

Schließlich ist die Musik der Band ein bisschen speziell, aber das beste und nachhaltigste, was Deutschland an Pop exportieren konnte.  Durch die aktuellen Remixes ist KRAFTWERK hörbarer für nicht-electronic-fans geworden: Das Klingklang-Grundmotiv von Tour de France geht dir nicht mehr aus dem Kopf, Neonlicht ist eine zeitlose Ballade, Trans Europa Express hat techno-beats und Das Modell wird schon mal in Wies’n-Zelten konzertiert. Im Mai 2014 konnte ich KRAFTWERK im Wiener Burgtheater sehen und hören: vier ältere Herren in einer Art Neoprenanzug zwar relativ bewegungslos hinter laptops, aber mit packender Musik und beeindruckenden dreidimensionalen Video- und Laserclips. Die Symbolik der Band war auch am outfit des weitangereisten Publikums zu erkennen. Was für ein Kontrast zur plüschigen Wandteppich-Anmutung der Burg.

Als Gesamtkunstwerk ist KRAFTWERK  aufgeladen mit Symbolik, Mythen und Zeichen: viele Ebenen wechseln zwischen Musik, bildender Kunst, Performance, Video. KRAFTWERK pflegt Retro-Futurismus, die Kombination aus zwei entgegengesetzten Richtungen: die Zukunft wird aus der Vergangenheit heraus betrachtet. Deshalb auch die vielen Anleihen bei  Bauhaus und der Glaube an Roboter-Gehilfen aus  der Welt von Zukunftsromanen und –filmen der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Mit etwas eckiger Ironie zu Mechanik und ohne Fragen zur künstlichen Intelligenz.

Das Buch  ist eine sehr abwechslungsreiche Zeitreise, die nicht nur die einzelnen Alben von Autobahn bis Electric Café reflektiert, sondern sich ausführlich mit ihren frühen „Krautrock“-Jahren der Pre-Roboterzeit, ihren Einflüssen auf die britische und US-amerikanische Popmusik und  ihrem für eine deutsche Band ungewöhnlichen internationalen Durchbruch beschäftigt. Dazu gibt werden seltene Interviews widergegeben und die aktuelle Präsenz in der weltweiten Kunstszene: KRAFTWERK als visionäres, audiovisuelles Kunstprojekt, das in Museen ebenso wie in  Konzerthallen begeistert. Ich erinnere mich an den beeindruckenden Start ihrer 3D-Performance im Kunstbau des Lehnbachhauses München in 2011.

Das Buch erschlägt einen fast durch die akademischen Leidenschaft, eine gründliche Arbeit abzuliefern. Durch die wissenschaftliche Optik (reich an Fußnoten,  arm an Bildern) wirkt das Buch hin und wieder sperrig wie manche Kraftwerk-songs. Trotzdem lesen! KRAFTWERK ist ein Monument des Pop.

Uwe Schütte (Hrsg.) MENSCH MASCHINEN MUSIK, € 24,90 | [Anzeige]in deiner Buchhandlung oder bei   oder hier.

Italienische Kochbücher kann man nie genug haben! Sie sind wie Urlaub.

Dieser dicke und flippige Rezeptewälzer braucht Spuren von Olivenöl und Tomaten:  fast 500 Seiten zwischen festen knallgelben Buchdeckeln mit vielen Rezepten und Informationen. Statt slow und fast food gibt’s einfach good food, das Laune macht. Die Schwerpunkte von BIG MAMMA liegen  entsprechend der hippen Essgewohnheiten bei Pizza, Pasta und Dolci, aber auch bei  angesagten Brunchrezepten und Cocktails. Aufwändige Fleisch – und Fischrezepte sind kaum vertreten, aber dafür hat man ja noch die Kochbuch-Klassiker aus den 90er Jahren im Küchenregal.

Dafür erspart uns der Einsatz von BIG MAMMA endlose Brunello-Gespräche bei Tisch: Er:  “ich sag euch, die superechte Carbonara wird natürlich ohne Panna gemacht, nur deutsche Mütter kippen Sahne . . . und ohne cinghiale Speck aus der Maremma kriegst du den Geschmack nicht hin.“ Sie: „Eigentlich war die Küche schon geschlossen, aber dann hat uns Gianfrancos Oma noch die köstlichsten. . .“ Endlich können sich die Gäste über die neuesten netflix-Serien unterhalten und gleichzeitig feine Sachen geniessen. Die Gerichte heißen dann schon mal  Pasta Jean-Claude Vitello, Emile Gorgon-Zola, Napoli Badass, Mamma Detoxissima oder Red is Dead. Bei so viel kulinarischer Hingabe ist der Untertitel „con molto amore“ schon ein Gewürz zu viel. Das Buch käme auch ohne die zahllosen Gefühlverstärker richtig gut daher.

Du findest bei BIG MAMMA einige Neuinterpretationen der italienischen Klassiker: nicht alle sind notwendig, aber dadurch wird die eigene Kreativität angeregt. Da dürfen pulled pork nicht fehlen (genannt Schwein fein) und auch Italo-veggie ist gut vertreten. Und endlich gibt’s mal ein italienisches spare ribs-Rezept.

Das Rinderfilet fürs Carpaccio classico wird vor der Verarbeitung als ganzes kurz und scharf angebraten, warum? Das rohmarinierte Fleisch brauch keine Röstaromen. Dafür gibt’s eine interessante  Variante mit Apfelschnitzen!

Da ich ein Fan der Resteverwertung bin (taste the waste), koche ich Frittata di Linguine nach: dicke Spaghetti vom Vortag und was einem sonst noch unterkommt (Wurst, Fleisch, Gemüse, Oliven etc.) wird mit Mozarella, Eiern und Tomaten sugo vermischt und kernig angebraten. Ich hatte beim Originalrezept ein bisschen zuviel Flüssigkeit verwendet, also wurde die Frittata ein wenig suppig. Am besten den sugo vorsichtig verwenden und etwas nachgeben, wenn die Pastamasse zu trocken erscheint. Das Resultat war wirklich lecker und wird beim nächsten Mal perfektioniert. Es kann jede Pasta verwendet werden, mit Linguine ist’s optisch am lustigsten. Rezept siehe bei den book hacks.

Das Buch hat viele Facts, Produktinformation und Chef-Tipps: Woran erkannt man gute Dosentomaten? Denn ohne die eingedosten basics  geht’s nicht, wenn du ganzjährig Italoflair willst und auf frische, aber geschmacklose Ganzjahresware verzichtest.

Der beste Tipp: Pasta sehr al dente abgiessen, zuvor etwas Nudelwasser in den fertigen Sugo geben und darin die Pasta kurz und knackig fertig garen. Gekonnte Schwenken der Pfanne verbindet sugo und pasta und macht die Speise fluffig.

Das französisch-italiienische Autoren- und Koch-Kollektiv  unter Victor Lugger und Tigrane Seydoux  kocht mit einer Prise Jamie Oliver-Show und 1 kg frisches Gefühl. Schwarze Pasta mit Tintenfisch heisst dann eben Black Mamba, die Mengenangaben sind „per 4 amici“ – na wenn das kein Programm ist! Die einleitende Bemerkung „Legen Sie damit Ihr Tinder-Date flach“ kann man auf den Speiseplan setzen, muss man aber nicht. Unbedingt direkt neben dem Herd aufbewahren.

[Anzeige] Big Mamma, € 35 | in deiner Buchhandlung oder bei   oder hier.

Für alle, für die 28° Wassertemperatur kein Urlaubs-Muss ist

Badeurlaub in Italien bedeutet entweder Adria oder Riviera. Dazwischen ist nix. Ausser vielleicht der Gardasee. Für die Reihe Wild Swimming ist der Italiener Michele Tameni in seiner Heimat untergwegs und auf der Suche nach mehr oder weniger unberührten Seen, Flussläufen und Lagunen meist im Landesinneren. Der Sprung ins kalte Wasser lohnt sich unter anderem in Fer im Aostatal, im Bagni San Filippo in Fosso Bianco, südliche Toskana, in Secchiano, Bosso & Burano, in der Grotta Urlante, Rabbi, Premilcuore, in Cavagrande del Cassibile, Sizilien – alles meist erfrischend kühle Ziele. Wer’s warm haben will wählt die heissen Thermalquellen am Lido Delle Bionde (sic!) am Südufer des Gardasees.

Wild Swimming Italien ist auch ein schönes, nicht immer bestechendes Fotobuch, vor allem aber ein informativer Reiseführer – auch für den Urlaub mit Kindern. Neben dem Badevergnügen gibt es Routen, Karten, Freizeittipps, Campingplätze und Restaurants. Ein großes Plus für einen etwas anderen Urlaub in Italien.

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