slow lane 01 | 24: eine schöne Kulturwoche liegt hinter mir | Film | Literatur | Ausstellungen

Immerhin mir fehlen meine regelmäßigen Buch-Posts bei trooboox. Ich komme einfach nicht dazu, da meine Arbeitskraft seit Monaten in die Aufbereitung meines Angebots literarischer Erstausgaben bei der Plattform booklooker.de fliesst. Um wieder zum Schreiben zu kommen, gönnte ich mir kürzlich eine spannende und abwechslungsreiche Kulturwoche: ein Wochenende in Linz zum Filmfestival Crossing Europe, dann eine Lesung mit dem späten Gerhard Rühm, samstags mit einem Experimentalfilm in Wien-Ottakring und am Montag Premiere des Films Pandoras Vermächtnis über G.W.Pabst.

Wortspielplatz im hohen Alter.

Gerhard Rühm merkt man nach wenigen Worten an, dass er sich auch an seinen Jahrzehnte zurück liegenden Texte eine kindische Freude bewahrt hat. Da sitzt ein charmanter älterer Herr (94!), den der spielerische Umgang mit Sprache und Situationen jung hält und überrascht mit einer Lesung von Theater-short-reads. Die Hörerschaft im Theater Odeon ist begeistert und spendet Standing Ovations. Im Anschluss nutzte ich die Gelegenheit, um eine der letzten gemeinsamen Arbeiten der Wiener Gruppe (u.a. mit Artmann, Bayer, Achleitner) aus dem Jahr 1963 signieren zu lassen: Heft zwei der edition 62. Eine Gesamtausgabe ist bei Matthes und Seitz verfügbar. Und wer sich über teilweise signierte Originalausgaben freut, darf sich gerne in meinem Angebot Gerhard Rühm umsehen.

2024 ist unter anderem ein Kant-, Kraus-, Kafka- und Kästner-Jahr.

Vielleicht hätte sich Erich Kästner einfach in sein 125. Lebensjahr geschrieben, denn wer den „35.Mai“ erfunden hat, schafft mit einiger Phantasie auch so etwas. Leider war Kästner starker Raucher und starb schon 1974 im Alter von 75 Jahren. Wenige Autoren haben Kinder und Erwachsene gleichermaßen literarisch begeistert, von Emil und die Detektive bis zum Gang vor die Hunde. Und selbst Micky Maus fand – generiert von Kästners kongenialem Partner, dem Zeichner Walter Trier – Eingang in sein Werk. Entdeckungen und Überraschungen findest du bei www.booklooker.de unter dem Stichwort „Kästner_boox„. Mein nächster Post ist über Kästner.

E-Tankstellen geistern durch die Stadt

Christoph Höschele zeigt in seinem Filmexperiment Von Steckdose zu Steckdose zwei Dutzend Wiener E-Tankstellen in kontemplativen Einstellungen, dem Klimawandel zum Trotz leider meist ohne Nutzung. Auf der Live-Tonspur läuft zu den Bildern der E-Tankstellen das Knattern und Röhren von Diesel-Fahrzeugen, getunten Benzinern und sogar ein Ferrari blubbert ums Eck. So ist das echte Leben. Die E-Tanke ist eine einfache Metallbox, die mit Eisenpollern vor Autoblech geschützt. Mit dem Verschwinden des Verbrennermotors werden sich auch unsere Stadtbilder, meint der Filmemacher und Dozent an der Wiener „Angewandten“ im Gespräch mit Kulturjournalistin Patricia Grzonka. Damit ändert sich unsere Versorgungslage. E Tankstellen sind kein Ort für Junk-Snacks, Not-Alkohol, Verzweiflungsrosen und kein Ort für den Start ins Nachtleben. Ob sie sich je in unsere Popkultur einschleichen wie die alten Zapfstellen, die unsere Nächte mit Neonfarben Blau (ARAL), Grün (BP) und Gelb (Shell) geteilt haben?

Opa ist der beste

Angela Christlieb, Regisseurin des Films Pandoras Vermächtnis über den Regisseur G.W. Pabst verspricht den Blickwinkel seiner Frau Trude , die zugunsten des großen Regisseurs auf die eigenen Schauspiel-Karriere verzichten musste, und seiner Enkel:innen. Aber die Figur der Regie-Ikone ist doch zu dominant. Die interviewten Enkel:innen tragen den Film, blicken aber eher durch die Bewunderungsbrille auf den Grosspapa zurück – Ehefrau Trude kommt nur zitatenweise zu Wort. Wie im echten Leben, sind entfernte Opas doch spannungsfreier als die eigenen Eltern im Naheverhältnis. Und Trudes Verzicht auf das eigene Ich wird zur Anekdote degradiert. Auf seine Art gibt der Film eine interessantes Bild, besonders wenn man Kehlmanns Pabst-Buch Lichtspiele gelesen hat. Sein Verhältnis zu den Nationalsozialisten bleibt leider Randnotiz, ebenso wie seine freiwillige Rückkehr aus dem Amerika-Exil nach Berlin.

Nice to see

Roy Lichtenstein in Wien: Die Ausstellung zu Lichtensteins 100. Geburtstag ist outstanding, mit geballter Pop Art und die beste Gelegenheit, in unseren Breiten einen der wichtigsten Künstler der Gegenwart zu erkunden. Bitte den Wien-Trip bis 14. Juli einplanen, dann ist Ende. Eine tolles Sammlerstück von Diane Waldman über Lichtenstein findest du übrigens hier.

Der große Schwof in Rostock: Eine Fotoausstellung über das Feiern im wilden Osten Deutschlands in den 80er Jahren. In der Kunsthalle Rostock, 9. Juni bis 8. September 2024. Ein jeder Hinsicht sehenswerter und notwendiger Ausflug, denn das umfangreiche Fotobuch ist leider vergriffen. Nur meinen Post zum Buch gibt es noch.

(c) 2024
Kurt Pohl

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