Vorweg: das Wetter in Florenz ist Ende Februar auch nicht besser als zuhause. Also gute Bedingungen für die zweite Ausgabe der neuartigen Buchmesse testo – come si diventa un libro (Wie ein Buch entsteht) in den Hallen des aufgelassenen Bahnhofs Stazione Leopolda. Quasi zur Motivation für weiteres hartnäckiges Bloggertum war ich dort.
La storia di testo beginnt in Buenos Aires
Analog Überraschungseier bietet die testo zwei Vorteile in einem: Ausstellung zumeist unabhängiger Verlage inkl. Pop Up-Verkauf, sowie Lesungen und verständliche Fachvorträge mit Gesprächen rund ums Buch. Dazu viele Kontakte bei caffèe. Dabei fand die Geschichte in Buenos Aires ihren Anfang, wo sich Maddalena Fossombroni und Pietro Torrigiani dazu inspirieren ließen, im Zentrum von Florenz einen Laden mit tollen Büchern und feinen Weinen zu gründen. Samt Platz für ein Café, kleines Theater und work spaces. Die beiden wollten bei TODO MODO Bücher nicht nur anbieten, sondern sie auch inszenieren. Die Idee zur neuen Buchmesse kam ihnen dann während der harten Corona-Zeit. Die Zeiten sind wieder besser und daher begrüßen uns am Messeeingang drei glänzende Porsches im orangefarbenen testo-Design. Zwar nicht gerade die Zielgruppe für independent books, aber warum sollten nicht auch Bücher bella figura machen.
Eine italienische Angelegenheit
Die testo war für das Duo Fossombroni/Torrigiani nur zu stemmen, als sich Spezialisten für Mode- und food-Messen für das imageträchtige Projekt interessierten. Zusammen mit den Messeprofis gelang es, die Persönlichkeit von Büchern herauszuholen. Cooles, fokussiertes Ambiente, durchgängiges Design und eine sehr lockere Atmosphäre. Die Aussteller sind auf Italien konzentriert, doch es finden sich überraschend viele Übersetzungen aus dem Deutschen. Und mit Humboldt Books sogar einen Mailänder Verlag, der sich dem Reisen, der Geographie und den zugehörigen Wissenschaften und Künsten im Geiste Humboldts widmet. Auch ohne Sprachkenntnisse findet man in jedem Teil der Welt Bücher, die wir verstehen. Mich überraschte ein Fotobuch vom Bozener Verlag Rorhof, über das ich demnächst posten werde.
Was können sich Frankfurt, Leipzig und Wien von der testo abgucken?
Bücher brauchen Persönlichkeit und Bühne, nicht nur Masse, Größe und Kennzahlen. Die Leipziger Buchmesse kommt der testo vielleicht am nächsten und ist ein buntes Lesefest unter Einbeziehung der ganzen Stadt. Die BUCH WIEN bietet gute Buchplaudereien, aber ein Zuviel an lokalen Promis im fadesten Buch-Ambiente. Und Frankfurt sollte sich weniger auf die Position des Branchenprimus zurückziehen, der eh alles richtig macht. Rote und blaue Sofas mit TV-Größen geben Büchern noch keine Personality. Besonders die unabhängigen Verlagen verlieren in Frankfurt ihre Buntheit in langweiligen Hallen und tristem Standmobiliar. In denselben weißen Kastenmodulen haben wir schon in den 1980ern als Verlag Pohl’n’Mayer unsere frechen Neuerscheinungen von Christoph Derschau und Kiev Stingl aufgestellt. Und die Lesebühne der kleinen Verlage innerhalb der Independent-Halle bekämen die Literaturfreunde Niederaula e.V. more cosy hin, so es sie gäbe. . . Das mit dem Buchverkauf auf Messen bleibt ambivalent: gut und sinnvoll für Verlage und Käufer, weniger gut für den Buchhandel. Kleinere und unabhängige Verlage haben in der Regel ohnehin wenig Chancen bei den Stückzahl-Giganten des Buchhandels, so ist der Schaden begrenzbar. Der italienische Platzhirsch La Feltrinelli (vergleichbar mit Thalia) schweigt die testo sicherheitshalber tot. In einer pfiffigen Plakatserie zeigt testo ihren lockeren Umgang mit dem Buchmarkt.
Vom Stoff zum Buch
Mein Fazit: testo ist ein kompaktes und angenehmes Format für Bücher und ihre Leser. Die Messen hierzulande brauchen mehr Wohlfühlfaktor, Glanz und Inszenierung. Florenz ist die richtige Stadt dafür, geschäftig und entspannt zugleich. Ein Besuch für testo Nr. 3 im nächsten Jahr lohnt sich für bookies in jedem Fall. Wer Anregungen, Ideen und feines Essen mag, ist hier richtig. Bei Interesse verrate ich, wo ich diese herrliche Pasta gegessen habe.