Mit der Comic Strip-Sammlung Happy Place ist Max Baitinger ein Buch zur Beruhigung der Lage gelungen. Wir dürfen uns nicht vom Weg abbringen lassen. Wenn du Happy Place zum ersten Mal durchblätterst, denkst du unwillkürlich an die Begrüßung „liebes Tagebuch“. Max Baitinger begegnet uns schon auf den ersten Seiten als einer der Hauptdarsteller seiner comic stories.
Wie „so what!“ unseren Alltag ordnet
Sein Tag beginnt entspannt mit einer Yoga-Übung. Und erst wenn eine Bildmeditation mit dem Affen Bobo „Los“ sagt, starten die Tagesabläufe. Und wir tauchen mit ihm ein: zum Baumarkt, zur Kundenpräsentation, in die Mittagspause, zum Kickboxen, in eine Bar mit einem Freund. Immer gespickt mit Erkenntnissen: „Wir sind das erste Mal glücklich und pleite.“ – „Die Anfrage eines Großkonzerns lehne ich ab.“ – „Und generell im Leben bin ich kein wählerischer Gast.“ Maschinen entscheiden über eine Zahnbehandlung, Steuersysteme des Finanzamts verweigern Antworten, das Geheimnis eines Idols ist dann doch nur „. . . die dümmste Idee, die ich je in meinem Leben gehört hatte.“ Hinter den Dingen stecken weniger Geheimnisse als wir erwarten. Am deutlichsten zeigt Baitinger das im Dialog mit sprechenden Webseiten: „Datenverlust könne die Folge sein.“ Viele seiner Geschichten lassen uns mit einem angenehm beruhigenden„so what!“ zurück. Der Alltag steckt voller absurder Erlebnisse und Gespräche. So what, weiter suchen.
Max Baitinger sitzt wohl gerne auf einem Sitzball. Das trainiert die Wirbelsäule und die Gasdruckfeder seines Bürostuhls hat ohnehin ihren Geist aufgegeben. Das lese ich aus seinen comic-stories. Geboren 1982 in Penzberg/Oberbayern, studierte er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Und er ist dort geblieben. Gerade erst wurde er mit dem Comicbuchpreis der Berthold Leibinger Stiftung für 2020 ausgezeichnet. Die Stiftung fördert Projekte in progress. Wir können uns jetzt schon auf Baitingers neues Buch Sibylla freuen.
Baitinger zeichnet literarische short-short-stories
Am besten lässt du dich schnell auf seine ausgeprägt sequentielle Erzählweise ein, denn dann verfolgst du spannende short-short-stories. Echte Literatur trifft auf eine Menge toons mit menschlichen Zügen. Max Baitinger zitiert gerne bekannte Comic- und Fantasyfiguren. Vom dänischen Petzi und Pelle über den Koch (und andere) aus der Sesamstrasse bis zum Star Wars character. Sogar ein Fundstück aus Heinz Edelmanns Yellow Submarine ist darunter – wenn ich mich nicht täusche. Sind Tiere für Baitinger die besseren Menschen? „Ich sehe das eher umgekehrt. Einem Krokodil sieht man gleich an, dass es keine Freunde sucht.“
Wie schon bei Birgit umgeht er den klassischen Vierfarbdruck, sondern setzt auf ein extrem tiefes Schwarz und drei Sonderfarben. Dabei geht es ihm nicht um reale Farbzuordnungen. Auf meine Nachfrage erklärt er seine Vorgehensweise: „Die Bilder in Happy Place sind als Marker-Zeichnungen auf Papier entstanden und am Computer koloriert. Die Farben verwende ich dabei als grafisches Mittel um Bildkompositionen zu unterstreichen sowie bestimmte Farbstimmungen zu erzeugen. Für diesen Zweck genügen mir zwei bis drei Farben. Bei dieser Reduktion ist mir auch wichtig, dass die Linien der Zeichnung nicht an Wirkung verlieren. Gleichzeitig hält es mich davon ab auf Lokalfarben Rücksicht zu nehmen oder mich in Entscheidungen über Koloration zu verlieren. Das macht vieles einfacher.“
Happy Place ist ein beruhigendes Buch. Und Baitinger scheint ein gelassener Mensch zu sein. Darauf angesprochen, ob ihn das Arbeiten mit Holz während seiner Ausbildung zum Schreiner zur Gelassenheit geführt hat, entgegnet er: „Ich fand den Umgang mit Arbeitszeiterfassung und wertvollen Hölzern eher stressig. Gelassenheit kam aber durch die Übung, handwerkliche Vorhaben zu durchdenken und zu planen. Da ich weitgehend analog arbeite, hilft mir das heute noch. Leider flippe ich immer noch aus, wenn die Zeichnung nicht gleich so aussieht, wie ich es gewünscht habe.“
Das Buch endet mit der wunderbar entspannten Geschichte „Neu und besser“. Sie ist eine philosophische Zusammenfassung aller strips und steckt voller Weisheiten: „Schließlich machen wir uns auf die Suche nach einem besseren Ort. – Einem Ort, der uns alle glücklich macht.“ Und so lassen sich alle Figuren aus Happy Place zu einer Insel für ein neues Selbst treiben, von dem wir uns in einem Kreis sitzend, erzählen: „In maximal drei Sätzen. Nach dem Uhrzeigersinn. Beginnend zu meiner Linken.“ Unterwegs treiben wir vorbei an Tim ohne Struppi, am Münchner im Himmel und auch wieder an Freund Petzi. Eine letzte Frage an Max Baitinger: „Für welche happy places sollten wir uns auf den Weg machen?“ – „Ich empfehle einen, der sehr weit weg liegt. Ich fürchte die Langeweile nach der Ankunft.“
Max Baitinger, Happy Place, 160 S., gedruckt in vier Sonderfarben, stabile Fadenheftung, Layflat-Bindung, Rotopol | € 18 in deiner Lieblingsbuchhandlung