Kategorie: post

[tru:buks] slow lane: Buchmesse zum Abgewöhnen? | Endlich besser leben | Jetzt mit Welpen-Videos? | wild im Wald | Ischgl Horror Show | Mein Oktober-Fundstück.

Ein Jahr zum Abgewöhnen (schreibt Kurt Pohl) |

Ein Jahr ohne Clubbing, Bundesliga, Festivals, Oktoberfest (naja) und jetzt auch ohne Frankfurter Buchmesse. Seit März überall nur schlapper Online-Ersatz: meist fleischlos, distanziert und mit wenig Emotion. Wollen wir uns das alles abgewöhnen: Anreise nach Frankfurt mit freudigen Erwartungen, Menschen dicht an dicht, Freunde freudig zufällig treffen oder ihnen durch Gangwechsel aus dem Weg gehen, unerwartete Bücher entdecken, noch mehr Bücher übersehen, für simple Pasta im Nieselregen anstehen, Hotels in der Perpherie ansteuern und mit einem guten Gefühl nach Hause fahren?

2019 – die letzte klassische Buchmesse?

OK, in diesem Jahr legen wir eine Buchmessen-Pause ein, aber im nächsten Jahr brauchen wir wieder Leipzig und Frankfurt, wir brauchen die Tuchfühlung und Bestätigung von und mit anderen Menschen, Gleichgesinnten, auch mit Gegnern und auch in Massen. Das wollen wir uns nicht abgewöhnen! Ab 2021 gilt wieder „Morgen in Frankfurt“ – ergänzt um informative und schnittige 24-7-365-Digitalaktivitäten.

Endlich besser leben – das Handbuch für eine neue Dekade

„Ein Hund macht das Leben menschlicher. . .“ Gelesen, getan.

Die britischen Spezialisten für urbanes Leben in Stadt und Land machen nicht nur ihr monatliches Magazin MONOCLE. Jetzt legen sie mit The MONOCLE Book of GENTLE LIVING ein Buch für ein harmonisches Leben vor. Ein Handbuch fürs Tempo rausnehmen, mehr genießen und glücklicher Leben. Einer der Ratschläge lautet: nimm dir Zeit für einen Hund, denn er macht das Leben menschlicher. Gelesen, getan. Das Buch zeigt uns wie wir unser Zuhause , wie wir uns sinnvoller und zufriedener bewegen, wie wir uns nachhaltiger kleiden und wie wir uns lecker und nachhaltig ernähren – am besten zusammen mit guten Freunden. Ein eso-freies Sammelsurium bekannter und frischer Ideen für eine zufriedene Dekade. Herausgeber Tyler Brulé über das Buch: „Learning to take a breath and move on.“ Post in Arbeit, aber ich muss erst noch am Meer Luft holen und dann mach ich weiter.

Machen Welpen-Videos Bücher-Blogs erfolgreicher?

Blogger-Kollege Tobias Nazemi vom buchrevier beklagt zurecht die mangelnde Wahrnehmung von „klassischen“ Bücher-Blogs: „Instagram ist mittlerweile Leitmedium und hat die Weblogs in den Hintergrund gedrängt. . . Überall die gleichen Bücher, die gleichen Arrangements und meistens auch die gleiche Meinung – manchmal auch gar keine. . .“ Und weiter: „Mittlerweile hat auch der Buchhandel Social Media entdeckt und flutet mit professionellem Eifer alle Kanäle mit ‚buchigem‘ Content. . . Wer liest eigentlich all die Blogrezensionen und Bücherposts auf Insta und Facebook?“

Ich sehe es so – die Bloggerszene liest vor allem sich selber. Mach ich kaum, bin auch nur mit wenigen anderen Bloggern verlinkt (was mir ein schlechtes ranking beschert). Obwohl Tobias deutlich erfolgreicher ist als ich, kann ich ihn gut verstehen. „Wenn kein Schwein guckt“. . . warum machen wir es dann? Kaum Leser, praktisch kein feedback und auch die Verlage werden immer reservierter. Kein Wunder bei der Vielzahl der gewünschten Rezensionsexemplaren. Ich hab schon versucht, mit Kochrezepten beim Leser zu punkten und jetzt mit Welpenfotos.

Aber immerhin bieten viele klassische Blogger (gegenüber Insta & Co) Qualität für Leser und Buchkäufer, ein paar verwertbare Presse-Sätze für die Verlage und Freude für sich selbst. Gute Blogger informieren auf unterhaltsame und entspannte Weise über Bücher, die wir uns näher ansehen sollten. Also, weitermachen und keine weiteren Welpenfotos.

Wild im Wald – der Nationalpark Bayerwald bekommt ein Buch zum 50sten

Seit einigen Tagen habe ich einen Prachtband vom Verlag Knesebeck auf dem coffeetable: Wilder Wald – eine respektable Bestandsaufnahme zum 50. Jubiläum des Nationalparks Bayerischer Wald. Die Journalistin Alexandra von Poschinger hat aus den Bereichen der Klima- und Umweltforschung viel Informatives zusammengetragen, lässt auch reichlich Promis zu Wort kommen und insgesamt den Nationalpark hochleben. Vor allem als weltweite Blaupause für Naturschutzgebiete, die sich selbst überlassen werden. Die eindrucksvollen Fotos des (Ex-) Mitarbeiters der Parkverwaltung Rainer Simonis sind der rote Faden durch die üppige Themenauswahl. Der Bayerwald ist meine zweite Heimat und so bin ich nicht nur sehr gespannt auf das Buch, sondern freue mich auch auf das Wiedersehen mit einer wunderbaren, entschleunigenden Landschaft. Ich bin gespannt, wie die Vielzahl der Gastbeiträge zur Gelassenheit des Waldes passt. Das muss ein wilder post werden.

Nachhaltig, ungezähmt, geheimnisvoll und sehr, sehr erholsam.

Ischgl Horror Show – Ein Buch mit Fotobeweisen

Peinlich, peinlich, dieser gruselige Fotoband. Zumindest für die abgelichteten Skifahrer*innen. Zuerst fand ich Lois Hechenblaikners Bildband über den COVID 19-Hotspot Ischgl gar nicht gut. Für mich zu spekulativ, abschreckend und zu viel unreflektiertes Medieninteresse. Dabei ging es Hechenblaikner gar nicht um eine Corona-Doku. Seit fast 25 Jahren beobachtet und fotografiert er vor allem, die Zerstörung der alpinen Natur- und Lebensräume durch ungebremsten Tourismus. Hoffentlich hilft das Buch dabei, das wir Skifahrer*innen naturfressenden Gigantismus meiden und einen möglichst nachhaltigen Wintertourismus betreiben. Und dafür mag und empfehle ich dieses Buch jetzt doch: ISCHGL.

(c) Lois hechenblaikner

Mein Fundstück im Oktober: Ein Roman der 20er Jahre in Berlin

Wer Leben und Kultur der Zwanziger Jahre und der Weimarer Republik nicht nur über die neue Staffel Babylon Berlin (ab 11.10.) kennen lernen will, sollte den Roman „Käsebier erobert den Kurfürstendamm“ von Gabriele Tergit lesen.

Gabriele Tergit (1894 – 1982) hieß eigentlich Elise Reifenberg, geb. Hirschmann und arbeitete als Journalistin, Gerichtsreporterin und Schriftstellerin. „Käsebier“ ist ein Schlüsselroman aus dem kulturellen Berlin der 20er Jahre über Aufstieg und Fall des Sängers Käsebier (in Wirklichkeit Erich Carow). 1933 emigrierte die Autorin nach Palästina und anschließend London. Ihr Erstlingserfolg ist ein wichtiger Berlin-Roman. Gutes, lesefreundliches Exemplar mit ein paar altersbedingten Flecken. Ein Original eben, gibt’s in meinem shop bei booklooker..

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(c) 2020 Kurt Pohl

[tru:buks] slow lane im Juni: RiP Jürgen Ploog | Buchmesse für Jeinsager | Ischgl für Hartgesottene | Berliner Doppel für Sammler.

In Memoriam Jürgen Ploog

Am 22.Mai verstarb der Schriftsteller, Publizist und Pilot Jürgen Ploog in Frankfurt. Anlass genug, meinen lifetime companion KaHa Mayer zu kontakten:

Welches war die erste Erinnerung nachdem du die Nachricht bekommen hast?

KHM: Der Jürgen war immer irgendwie supercool und ich mochte seine „Sternzeit 23“ Broschüre sehr. Dieser Sci-Fi-Touch, denn ich war ja selber Sci-Fi-Fan. Und bei dir?

KP: Noch besoffen von Brinkmanns Gedicht „Piloten“ und mit den ersten eigenen Büchern fuhren wir Ende der siebziger Jahre auf die Buchmesse. Als “Testpiloten der jungen deutschen Literatur“. Irgendwann tauchte Ploog auf dem Maro/Pohl’n’Mayer-Stand auf – Lufthansa-Pilot, Cut up- und Beat-Spezialist. Mehr Überflug ging nicht für uns. Seine uneuropäisch geschnittenen Maßschuhe blieben mir auch im Gedächtnis.

Was hast du von Ploog gelesen?

KHM: „Sternzeit 23“ und in Teilen den „Tanker“ und „Cola-Hinterland“ natürlich. Irgendwo habe ich über seine Schreibtechnik gelesen, dass er Texte nicht zerschnipselt, sondern gefaltet hat. Das fand ich dann sehr elegant.

KP: Bei mir war es vor allem „Cola-Hinterland“, das damals von der Buchkette montanus verramscht wurde. Cut up ist jetzt keine ideale Erzählform für mich. Würde besser zu poetry slam passen. „Motel USA“ war mehr was für mich. Aber alle Bücher, mags und zines von Ploog sind attraktiv und schön, Walter Hartmann hat ihm da ein sehr unverwechselbares Design entwickelt.

Und wie siehst du seine Bedeutung?

KHM: Sicherlich als Herausgeber von „Gasolin 23“ hatte er große Bedeutung. Und als „Statthalter“ von William S. Burroughs , der diese Strömung  in die deutsche Literatur getragen hat. Im wirklichen Leben war ich verblüfft über seinen gediegenen Lebensstil im Kontrast zu den Inhalten seiner Literatur. Ein netter Kerl, dessen Weg ich zuletzt vor Jahren auf dem Geburtstag seines Schwagers  – einem Film- und Fernsehregisseur – kreuzte, den ich über eine andere Verbindung kenne.

KP: Die Idee hinter seiner Literatur gefiel mir, die Texte selbst weniger. Die Selbstinszenierung von Ploog faszinierte: USA-affin (auch wenn sie unsere politische Feinde waren), ein bisschen Dandy, ein bisschen Grandezza und sehr große Gelassenheit. Und dazu die konstante Optik seiner Arbeit, nicht nur bei „Gasolin 23“. Ploog stand nicht für verbissene Alternativ-Literatur, er war bereits Popkultur und machte damit den Raum für unabhängige publisher weit auf. Er war der coolste von allen, auch wenn wir das Wort damals noch gar nicht nutzten. Das bewundere ich heute noch.

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Frankfurter Buchmesse findet statt

Vermutlich ohne mich, auch wenn sich Frankfurt größte Mühe gibt: mit einem Mix aus physischen Veranstaltungen in Frankfurt und online-events wird eine reduzierte Buchmesse stattfinden. Nach Gedränge ist mir in diesem Jahr nicht und ohne Gedränge ist es der halbe Spaß. Spannend wird eher die Buchmesse 2021. Gibt es eine Rückkehr zum alten oder gibt es für den Test-Mix in diesem Jahr eine nachhaltige Ökonomie, die die Zukunft dieser Veranstaltung garantiert. Oder wird gar die emotionalere Leipziger Buchmesse im März 2021 das neue Frankfurt? Wir haben in den letzten Wochen gelernt, gewohnte Aktivitäten auf ihren Beibehaltungssinn zu prüfen und zu bewerten. Müssen wir überall dabei sein?

ISCHGL: fast and furious

Meine nächste Skisaison steht ebenso in den Sternen – auch wenn ich sicher nicht nach Ischgl fahren würde. Warum es in diesem Skidorado so gekommen ist, wie es ist, zeigt der neue Bildband des Alpintourismus-Kritikers Lois Hechenblaikner: „Ein Geschäftsmodell wie Ischgl fällt einem einfach auf den Kopf. Das ist nur eine Frage der Zeit. Und die Zeit ist gekommen.“ Nach seiner Dokumentation Volksmusik werde ich auch über ISCHGL schreiben. Das bin ich meinem Hobby schuldig.

Berliner Doppel bei Q | boox

Wer Leben und Kultur der Zwanziger Jahre und der Weimarer Republik nicht nur über Babylon Berlin kennen lernen will, schaut sich mal mein Berliner Doppel an: Der Roman „Käsebier erobert den Kurfürstendamm“ von Gabriele Tergit und „Die verliebte Mode“ von Fred A. Colman. Beide Bücher sind seltene Erstausgaben aus den Jahren 1932 und 1930 und für ihr Alter gut bis sehr gut erhalten. Eine Zeitreise für alle, die Serien lieber lesen als schauen. Das Berliner Doppel gibt’s in meinem shop bei booklooker.de. Aber Achtung: first come, first served!

(c) Kurt Pohl 2020

[tru:buks] slow lane im Mai: R.D.Brinkmann für Sammler | Happy Place für alle | echte Klage für mich | italo-asia Spaghetti.

von Kurt Pohl |

Rolf Dieter Brinkmann fürs Sammlerherz

Der deutsche Beat-Literat Rolf Dieter Brinkmann wäre am 16. April achtzig geworden. Auch wenn sich nicht alle Texte, Collagen, Prosa, Gedichte einem breiten Lesepublikum erschlossen haben, gehört er zu den wenigen wirklichen Erneuerern der deutschen Nachkriegsliteratur. Und als Lyriker ist RDB einfach gut. 1962 erschien seine erste Buchveröffentlichung Ihr nennt es Sprache. Die Auslieferung hatte er zu Lebzeiten wegen der Satzfehler verhindert, insgesamt wurden nur 500 Exemplare aufgelegt. Eines davon findest du unter meinen Sammlerstücken bei booklooker.

Happy Place

Ein guter Freund? (c) Max Baitinger

Im post zum Comicbuch Happy Place habe ich zum ersten Mal auch den Autor „sprechen“ lassen. Der kurze Kontakt mit Max Baitinger war äusserst angenehm und produktiv, schliesslich lieferte er mir auch noch die headline: „Einem Krokodil sieht man gleich an, dass es keine Freunde sucht.“ Ich stehe auf subtile headlines!

Bad Mail

Vor Wochen bekam ich Post von einer Anwaltskanzlei. Angeblich widerrechtliche Verwendung eines Buchfotos bei trooboox im Jahr 2017. Das geht jetzt so hin und her, Anwaltsbriefe haben eine ganz eigene Tonalität. Mal abgesehen vom unangenehmen Inhalt eine sprachliche Herausforderung. Gut, dass ich einen verständnisvollen Übersetzer habe.

Wir kochen uns was feines

Gegen solchen und andere Frusts hilft bei mir immer Teller dampfender Spaghetti. Hier eine Variante mit geschmacklich sehr intensiver Fischsoße. Vorab besorgt ihr euch eine leckere Fischsoße, aus Italien (Superior: 100 ml, ca. € 10) oder vom Vietnamesen (gute Qualität: 250 ml, ca. € 5). Zuerst hauchdünn gehobelte Spargelstreifen, dann Knoblauch, Petersilie, Walnüsse – alles in Maßen und gehackt – in einem Olivenöl-/Butter-/dann etwas Nudelwasser-Gemisch andünsten. Abgeseihte al-dente-Spaghetti (meine derzeitige Lieblingssorte ist RUMMO) kurz darin aufkochen und vorsichtig, da intensiv, mit Fischsoße (p.P. 1 – 2 EL) vermischen. Rauke darüber, gut pfeffern, pronto.

(c) Kurt Pohl 2020