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Reisetagebuch: die wichtigsten Buchmessen 2023
Mein noch leerer Kalender freut sich: eine Reihe spannender Veranstaltung stehen vor uns. Ich trage meine geplanten Buchmessen-Termine ein. Erst dann kommen Geburtstage und Urlaube.
Frühling in Florenz
Das Datum 24. bis 26. Februar ist reserviert: testo, der Shooting Star der Messeinnovationen findet zum zweiten Mal in Florenz statt. Unter dem Motto „Come si diventa un libro“ (Wie ein Buch entsteht/ vom Lesestoff zum Buch) wirft die Veranstaltung einen ganzheitlichen Blick auf das Buch – ohne Promiauflauf und Wichtigtuerei. Sieben Stationen zeigen den Weg von Stoff und Inhalt über die Übersetzung und Gestaltung in den Print- und Vertriebsprozess bis hin zum Käufer und Leser. Beeindruckend, dass vor allem dem Leser viel Platz gewidmet wird. Andere Events feiern eher sich selbst. Die Frankfurter Buchmesse hat sich von der testo schon mal abgeschaut, des Zeitfenster für den Direktverkauf an Besucher zu erweitern. Die Zugverbindungen von München und Wien aus sind gut, der Frühling in Florenz erwartet mich.

Österreich liegt in Leipzig
Ich war noch nie auf der Leipziger Buchmesse. Und ich weiß noch nicht, ob ich 2023 die Premiere schaffe. Vom 27. bis 30. April positioniert sich Leipzig als großes Literatur- und Mangafest. Das Interesse für meinen Blog liegt im Entdecken von prächtigen Bücher aus Kunst, Kultur, Lifestyle, Architektur und Reisen – vulgo Coffeetable Books. Dafür wirbt Leipzig als größtes Lesefest Europas mit 500 Lesestätten. Mit dem lokalpoetischen Motto „mea ois wia mia“ ist Österreich Gastland der Messe. HC Artmann wird vor Schreck in seinem Wiener Ehrengrab Pogo tanzen, klingt das Motto doch wie der FC Bayern Claim „mia san mia“. Ein literarischer podcast bietet bis März informative Plaudereien mit wichtigen Autor*innen. Leider nicht so nachhaltig wie versprochen. Dafür gibt es von Wien aus eine sehr schöne Anreise mit der Eisenbahn über Prag und Dresden und entlang der Moldau.
Traumastadt Frankfurt
Apropos Geburtstag: Tja, und da ist wieder Zwischen 18. und 22.Oktober feiert die Frankfurter Buchmesse ihr 75jähriges Bestehen. Ausgabe. Ich habe mein Trauma von der Corona-Sonderausgabe 2021 noch nicht ganz überwunden, zu groß war die Mut- und Ideenlosigkeit der deutschsprachigen Verlage! Und das in einer Phase, in der sehr viel gelesen wurde. Aber schauen wir nach vorne: Frankfurt hat sich für 2023 viel vorgenommen: 75. Geburtstag (Sekt für alle?), verbesserte Ganzjahres-Angebote auf der digitalen Plattform, und mit Slowenien gibt es ein interessantes Gastland für den zweiten Blick. Die fbm ist sicher die Leitmesse ums Buch und trägt daher auch „das Gewicht der (Buch) Welt“ von Weltpolitik, Religionen, Buchökonomie, Rekorde der Rechteverwertung, Internationalität, Medienevent, Weltmesse – ein schwer navigierbares Kreuzfahrtschiff, bei dem die besuchenden Leser mitunter in der Holzklasse reisen. Das Frankfurter Business-Event sollte wieder persönlicher werden! Die Buchmesse hat großen Nachholbedarf beim Wohlfühlfaktor – außer vielleicht bei Verlagsmitarbeiterinnen. Da passt die Stimmung.

Wien plaudert
Ein netter Jahresabschluss ist die BUCH WIEN 8. bis 12.November, ebenfalls mehr entspanntes und amüsantes Lese- und Plauderevent als Börsenplatz. Die BUCH WIEN setzt auf freundliche und amüsante Bücherinterviews durch prominente Journalisten und Medien. Es ist sogar Platz für einen erfolgreichen, internationalen Poetry Slam. Dorthin gehe ich gerne zu Fuß.
Welche Messe steht für was?
In Florenz steht die Entstehung des Buchs im Mittelpunkt, Leipzig steht fürs Lesen, Frankfurt für die Ökonomie und Wien für die Autoren. Ein guter Mix!
Vergesst die überraschenden Events vor Ort nicht!
Wem Buchmessen zu pompös sind und wer lieber abseits des Mainstreams unterwegs ist, halte die zahlreichen Events der unabhängigen Verlage vor Ort im Auge. In vielen Städten haben sich in den letzten Jahren spannende kleine Buch-Wochenenden gebildet. Dieser Tipp gilt auch für die Fans der Großmessen!

[tru:buks] slow lane im Oktober: In einem Zug nach Hamburg | Team Buchmesse oder doch nicht? | Ein Kompagnon fürs moderne Leben | Das schau ich mir an in Wien | Büchersprint im Herbst | Mein Oktober-Fundstück |
In einem Zug nach Hamburg
Für meinen Geburtstagsbesuch bei Daniel Dubbe in Hamburg wählte ich die Eisenbahn. Ich wollte dem veröffentlichten Flugchaos entkommen, ökologische Correctness beweisen und endlich die schöne Teilstrecke zwischen Wien und Dresden kennenlernen. Naja: auf dem 12 Stunden langen Hinweg kam eine halbe Stunde dazu, auf der 10 h-Rückfahrt saß ich zusätzlich 3 Stunden (bei bis zu 35° Außentemperatur) in Zügen und Bahnhöfen. Gute Ökobilanz, aber schlechte Stimmung. Die Strecke Wien-Dresden über Prag samt Schnitzel und Bier vom Fass ist wirklich ein Genuss.

Team Buchmesse oder doch nicht?

Ich hätte gerne wieder mal so eine Buchmesse, „wie sie niemals war“ (geklaut). Die Enttäuschung von 2021 sitzt noch tief: lustlose Verlage und leere, konfuse Hallen. In diesem Jahr setzt die Messe vorrangig auf People und Promis. Ein Blick ins Programm: Fußballweltmeister Philipp Lahm, Dr. Wladimir Klitschko (digital), nicht-binäre Person, Star auf Tik Tok, Instagramm und You Tube, Bestseller-Autor und Motivations-Trainer, Star-Autor*innen und Meinungsmacher*innen streifen durch Themen, Zeitgeister und ein bisschen auch durch Bücher. Natürlich ist ein Buch nicht mehr nur, was zwischen zwei leinenüberzogene Pappen passt, aber hier kündigt sich ein Kessel Buntes an. Das macht für mich ein Pro fbm nicht leicht. Und, ich müsste schon wieder die Dienste der Deutschen Bahn in Anspruch nehmen 🙁
Ein kleiner Kompagnon fürs bessere Leben
Mit ihrem weltweiten Korrespondenten-Team schaffen es die Macher des MONOCLE Magazins immer wieder, Menschen und ihr Tun aufzuspüren und uns Lesern Anregungen für ein smarteres Leben zu geben. Meine Urlauslektüre waren unter anderem die fünfzig short reads aus dem neuen Buch The Monocle Companion. Der Herausgeber des Companion, Josh Fehnert, schreibt ein Manifest für digitalen Anstand, damit wir besser, aber auch gelassener social media nutzen. Die Londoner Journalistin Karen Krizanovich beschreibt, wie man mit und ohne Würde besser altert und zaubert ein Lächeln auf unser leicht faltiges Gesicht. Spannend finde ich die These, dass wir uns beim Anti-Aging zwischen Gesicht und Körper entscheiden müssen. Beides geht wohl leider nicht. Wir erfahren außerdem, warum uns bei der Selbstoptimierung einiges gelingt, anderes wiederum nicht – nicht nur eine Willensfrage. Oder, warum es nicht immer schlecht ist, sein Fähnchen mal nach dem Wind zu richten. Und warum sich „Warmbaden und -duschen“ und Schwimmen im kühlen See nicht gegenseitig ausschließen.
Das schau ich mir an: Bilderbuchkunst nicht nur für Kinder.
Das Wiener MAK (Museum für angewandte Kunst) folgt ab 12. Oktober dem Trend zum künstlerischen Buch. Bilderbücher stehen als anspruchsvolles Print-Produkt nicht unter dem Druck der digitalen Welt. Die Büchershow streift alle Kunstrichtungen – vom Impressionismus über Dada und Pop Art bis zum Fotorealismus. Die Ausstellung ist stilgerecht in acht Kapitel gegliedert, u.a. Bücher sind Räume, Fast nichts, Stadt und Landschaft und Welt der Krisen. Klingt spannend.

Mein Herbst-Sprint: Trends, Events und Likes bei Coffetable Books
Mit oder ohne Buchmesse mache ich ab dem nächsten Post einen Sprint durch die Herbstprogramme von Kunst-, Kultur-, Foto- und Lifestyle-Verlagen. Welche tollen Bücher sollten wir im Herbst und Winter nicht versäumen?
Mein einmaliges Oktober-Fundstück: Ein Fotobuch für den kleinen Coffeetable
Ein seltenes Bilddokument aus den späten fünfziger Jahren ist das Fototaschenbuch St. Pauli und die Reeperbahn – Ein Bummel durch die Nacht(lokale) von Frank. H. Miller (60 Seiten Text) mit 103 s/w-Fotos von Jochen Asta und Hanns Konrad. Für die Adenauer-Zeit ein verruchtes Buch. Die Ausgabe von 1962 ist tadellos erhalten und ein feines Sammlerstück. Dieses Einzelstück findet ihr in meinem shop bei booklooker.

