Luigi Colani, Major Tom und wie die Avantgarde nach Kaufbeuren i. Allgäu kam.

Kaufbeuren i. Allgäu, 1971. Joseph Roth hätte geschrieben: eine Garnisonsstadt an der südlichen Landesgrenze. Zwar spielte hier sonntags keine Militärkapelle wie in seinem „Radetzkymarsch“, aber immerhin konnten wir in den frühen 1970ern im Musikhaus Reisser – eingeklemmt zwischen zwei Telefonhörern – aktuelle Schallplatten abhören. Und es gab das kleine Passagenfenster von Buchhandlung Schön, in dem sich die bunten Suhrkamp-Bändchen und Heiß wie der Steppenwind von Konsalik und Simmels Der Stoff aus dem Träume sind drängten. Und eines Tages stach aus der Auslage das rote Plastikköfferchen mit dem überdimensionalen Y und dem T-Griff. Darin mussten wohl die Dienstpläne von Major Tom versteckt sein. Die Avantgarde der siebziger verirrte sich in die Provinz – wir waren begeistert.

Ein Sessel zum Chillen

Colanis YLEM ist ein revolutionäres Buch, das kein Buch sein will.

Der Berliner Luigi Colani war der Popstar unter den deutschen Designern: zusammen mit den Designikonen Dieter Rams (Produktdesign Braun) und Otl Aicher (Grafikdesign, u.a. Lufthansa-Logo, Olympia München 1972) brach er mit der machtbesessenen Gestaltungswucht der Nationalsozialisten. Rams und Aicher setzten die Bauhaus-Tradition mit 90°- Winkeln fort, die sie poppig bunt und auf Funktion bedacht einsetzten. Colani verschrieb sich dagegen der stromlinienförmigen Gestaltung nach dem Vorbild der Natur. Rams und Aicher gelang erfolgreich die Umsetzung ihrer Ideen durch große Markennamen, Colani blieb die Rolle des Künstlers und Provokateurs. Großes Aufsehen erregte er mit seinem Buchprojekt YLEM: ein futuristischer Plastikkoffer mit  über 120 losen Bildtafeln als sein Manifest für die Gestaltung unserer Arbeits-, Wohn- und Freizeitwelt, Kommunikation und Mobilität. [Unter „Ylem“ ist der Urstoff unserer Elemente und Materie zu verstehen. . . das Projekt war gleichsam der Urknall seiner Designideen]. Im Vorwort empfiehlt  Colani dem Leser sich seine eigene Textsammlung zusammen zustellen und nicht relevante oder „schockierende“ Blätter bei Seite zulegen bis ihre Zeit gekommen ist und dann wieder einzufügen. Ein hedonistisches Frühwerk.

Colani war es egal, ob man auf seinen Möbeln sitzen konnte

Colani blieb der Pop-Künstler mit ausgeprägtem Hang zur Selbstdarstellung, zu Visionen, Fernsehshows und hin und wieder zu rüden Provokationen. Der ökonomische Erfolg als Industriedesigner in Deutschland war trotz seiner empathischen Grundhaltung bescheiden. Legendär ist immerhin der mietbare Colani-Truck geblieben. Der Designtheoretiker Michael Erlhoff fasste sein Werk treffend zusammen: „Ob die Leute auf seinen Möbeln sitzen konnten, war ihm völlig egal. . . Selbst seine Teekannen sehen aus wie Rennautos.“  Auch der in YLEM enthaltene Entwurf einer Toilette wirkt wie ein Formel-1-cockpit.

Colanis letzter Coup:  Der selbstdesignte Sarg

Luigi (Lutz) Colani (* 2.August 1928, Berlin + 16. September 2019) war ein mutiger und avantgardistischer Designer. Für Deutschland ein bisschen zu visionär. Aufsehen erregte Colani durch seine aerodynamischen und biomorphen Entwürfe für praktisch alle Lebensbereiche. Ende der fünfziger Jahre arbeitete er für Alfa Romeo und wechselte von Lutz zu Luigi. Ab den neunziger Jahren  war er in Asien erfolgreicher als in der Heimat, ihm gefiel die asiatische Lebensweise, die  sich mehr an natürlichen Formen orientiert. So arbeitete er als Designer für Sony, Mazda und Canon und hatte ab Mitte der Neunziger mehrere Professuren in China. Bis zuletzt blieb Luigi Colani seiner Designlinie treu: Als er im September 2019 91jährig verstarb, ließ er sich in einem selbst gestalteten Sarg beerdigen. Der Sarg ähnelte einem italienischen Motorboot mit Edelstahl-Reeling. Schnittig.

Colanis Evolution der Frau

Nur hier: Ein seltenes und exklusives Fundstück für Designfans

YLEM, 1971 in Form von losen Blättern in einem kleinen Plastikkoffer erschienen. Gut erhaltenes und sauberes Exemplar der einzigen Ausgabe. Minimale material- und produktionsbedingte Kratz- und Altersspuren des Koffersiebdrucks, die Innenblätter sehr gut erhalten. Vorwort vom Meister persönlich, dazu Texte, Fotos, Skizzen aus Colanis ganzheitlichem Designansatz. Vollständiges Exemplar! Der offene YLEM-Koffer macht sich richtig gut im designten Büro. . .

Eines der seltenen Exemplare gibt es exklusiv im trooboox shop.

Der originale Plastikkoffer
(c) 2022 Kurt Pohl

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