On the road zum witzigsten Comic Book des Jahres.

Nicht erst seit Donald Duck wissen wir, dass es großen Spaß machen kann, anderen beim Scheitern zuzusehen. In dem dicken Comic Band Fante Bukowski – Ein amerikanischer Traum amüsiert uns über 400 Seiten ein verkanntes Schriftsteller-Talent. Über den alltäglichen Kampf des angehenden Autors um Ruhm und Anerkennung, sprich Bestseller, Talk Shows und Erfolg bei Frauen, hat der amerikanische Cartoonist Noah van Sciver (*1984 New Jersey) eine äußert witzige und geistreiche Comic-Serie gezeichnet. Ich habe es jetzt noch einmal gelesen, diesmal als Paper Book und mit noch mehr Spaß.

Der Anwaltsgehilfe Kelly Perkins gibt den Job in der Kanzlei seines Vaters auf und macht sich wie in einem road movie auf, erfolgreicher Schriftsteller zu werden. Nur dumm, dass er völlig talentfrei und faul ist. Dafür grenzenlos selbstbewusst. Folgerichtig, dass er für seinen Aufstieg das Pseudonym Fante Bukowski wählt. Das bleibt vorerst seine größte künstlerische Leistung.

Denn in den Texten seiner Vorbilder Charles Bukowski und John Fante findet sich viel von dem, wie es sich anfühlt, erfolglos seine Texte in Magazinen und bei Verlagen unterzubringen. Bukowski arbeitete nachts als Postverteiler, Fante als angestellter Drehbuchautor und musste schnell lernen, Exposés für den Mülleimer der Studiobosse zu schreiben. Bukowski kam schließlich mit Kolumnen, Gedichten und Storys zu Erfolg, bei Fante war es schwieriger. Seine alter egos Arturo Bandini und Henry Molise kämpften permanent mit dem leeren Blatt Papier. Immer wieder zeigt van Sciver seinen Protagonisten in Verzweiflung mit Stift und Schreibmaschine (!). Es fehlt ihm an Stoff, Kontakten und Fleiss. Der tägliche Kampf der Kreativen.

„Dein Problem ist, dass du Träume hast.“

Während sich Kelly Perkins noch in der Kanzlei seines Vaters probiert, bekommt er von einem zufälligen Saufkumpan eine Kiste mit Büchern von Charles Bukowski und John Fante geschenkt: „Ich werd dein Leben verändern. . . Ich hab, was du brauchst. Was du schon immer gesucht hast, ohne es zu wissen.“ Mit dieser Rückblende macht sich Kelly nun als Fante Bukowski auf den Weg. Mit seiner Schreibmaschine zieht er durch billige Absteigen, lernt frustrierte Kleinst- und Fanzineverleger und hoffende Open Mike-Konkurrenten kennen. Außerdem Audrey Catron – wie er auf dem Weg zum Erstling. Mit ihr zieht er durch die Literaturszene, teilt Lesungen und Bett mit ihr. Als sich bei Audrey erste Erfolge über einen Literaturagenten abzeichnen, blitzt Fante B. beim Versuch ab, sich daran zu hängen. Er macht sich aus dem Staub. Während Audrey den ersten Erfolg ansteuert, landet Fante B. regelmäßig mit und ohne Geld bei einer Prostituierten. Sie verschafft ihm aus ihrem Kundenkreis Kontakte zu Playern im Literaturbetrieb und ein Buchprojekt als Ghostwriter . Fante B. setzt den Auftrag mit einer kruden Biographie für einen Teeniestar grandios in den Sand. Wenigstens begleiten ihn die wohlwollenden Schecks seiner Mutter, leider aber auch die Albträume seines mächtigen Karriere-Vaters. Auch noch, als dieser nach einem Schlaganfall im Koma liegt. Während Kellys road trip hat er das Kinderzimmer zur persönlichen Waffenkammer umfunktioniert.

„Das Leben ist nicht fair; warum sollte ich es sein?“ Margaret Atwood

Wer die Spur, die Fante Bukowski legt, weiter verfolgen will, wird in einigen Romanen von John Fante fündig: In Ich, Arturo Bandini und Unter Brüdern geht es um nichts anderes: „Ich ging zur Schreibmaschine und setzte mich vor sie. Ich dachte daran, einen Satz zu schreiben, einen einzigen perfekten Satz. Wenn ich einen Satz schreiben könnte, kann ich auch zwei schreiben, und wenn ich zwei schreiben kann, kann ich drei schreiben und wenn ich drei schreiben kann, würde ich immer weiter schreiben können.“ So einfach ist das. Mehr zum echten John Fante unter trooboox.

Totalversager on the road

(C) Noah Van Sciver

Es kennzeichnet van Scivers skurilen Humor, dass er sich selbst ausgerechnet als Nachfolger bei der neuen Starautorin Audrey in den Comic rein- und auch wieder rausschreibt. Wie schon sein „Vorgänger“ Fante B. erhofft er sich eine Trittbrettfahrt auf der Siegerstraße. Auch er mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein ausgestattet, kann er auf Audreys erfolgreichen Lesereise nicht mal ihren schweren Koffer schieben. Aus Angst um seine Zeichenhand. Wie allen anderen Figuren legt der – echte – Noah van Sciver seinem Comicdouble eine Menge witziger Dialoge in den Mund. Bis er krank vor Eifersucht den Audrey und seinen Comic wieder verlässt.

Van Scivers Zeichenstil erinnert mich an die amerikanischen underground Comics der 60/70er Jahre. Da darf als zeichnerisches Zitat Herr Natürlich von Robert nicht fehlen, mit seinem berühmten Ausfallschritt nach vorn. Die kurzen storyboards verbindet van Sciver mit Zitaten berühmter Schriftsteller. Und immer versteckt er seine subtile Ironie in Details, z.B. wenn Fante Bukowski beim Autostopp auf seine Pappschilder keine Städtenamen schreibt, sondern „Holt mich aus dieser Scheisse“ oder „Bin Schriftsteller. Kann reden.“  Das alles hat der Übersetzer Benjamin Mildner mit viel Gespür für Situationen, Zitate und Verweise sehr gut übertragen.

Noah van Sciver führt uns in seinem üppigen Comicband äußerst witzig in das Berufsbild des verkannten Schriftstellers. Viele Egomanen des Literaturbetriebs geben sich die Klinke in die Hand – aber keiner kommt richtig schlecht dabei weg. In jedem steckt ein bisschen davon, was den Spaß an tollen Büchern größer macht. Van Sciver liebt die schrägen Typen, die sich so wichtig nehmen. Vermutlich hatte auch er eine Phase als sympathischer Totalversager. Fante Bukowski bleibt immer noch die Karriere als erfolgreicher Anwalt. Vielleicht.

Noah van Sciver, Fante Bukowski – Ein amerikanischer Traum, 416 S., avant-Verlag |€ 30 in deiner Lieblingsbuchhandlung

(c) Kurt Pohl 2020

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