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Kühe pupsen nicht nur für’s Ozonloch. Ohne sie gäbe es uns gar nicht!

Natur- und Tierbücher über Bienen und Bäume sind gerade angesagt: Nature Writing. Höchste Zeit also für einen fetten Bildband über Kühe und Rinder! „Die Kuh. Eine Hommage“.

Unsere gängigen Haustiere Hühner, Hunde, Katzen, Schweine und Gelbhalswassernatter – alles ok. Aber kein Tier ist und war für den Menschen so wichtig wie die Kuh. Ihr Fleisch lieferte Proteine zur Entwicklung des Gehirns unserer fernen Vorfahren, ihre Milch nährt unsere Nachkommen, ihr Fell wärmt uns oder schmückt unsere Autositze. Auf jedem Fleckchen unserer Erde.

Dem österreichische Bio-Pionier Werner Lampert (Jahrgang 1946) ist die Initiative und die Struktur dieses beeindruckenden Buches zu verdanken. Lampert hat schon in den 60er Jahren Nachhaltigkeit zu seinem Lebens- und Geschäftsmodell gemacht. U.a. entwickelte er erfolgreiche Bio-Produktlinien für zwei österreichische Supermarkt-Ketten. Mit einem Team von Fotografen und Redakteuren hat er wirklich alles zum Thema Kuh zusammen getragen. Faszinierend und informativ macht das Buch Lust auf Wissen.  

Dabei sind die Kauer mit vier Mägen unter Städtern nicht unumstritten: etwa alle 40 sec. sucht sich bei der Kuh Methangas den Weg ins Freie, ca. 300 l kommen so täglich pro Kuh zusammen. Die Massenhaltung von Turbokühen zur Deckung des Fleischbedarfs hat diesen Ausstoß verschärft, die nachhaltig gehaltene Weidekuh ist kein Klimakiller. Und die Fladen ihrer Verdauungsreste dienen der ökologischen  Energiegewinnung. Unsere Klimaprobleme entstehen immer aus Maximierungs- und Optimierungswahn.

Da liegt nun ein dreieinhalb Kilo Bildband mit fast 500 Seiten im Großformat. Werner Lampert hat Unmengen an überraschendem Wissen zusammen getragen: so z.B. über die Rasse Sacha Ynaga im nordsibirischen Jakutien. Sie halten übers Jahr 100 Grad Temperaturdifferenz aus und geben noch bei Minustemperaturen über 60 Grad lebenswichtige Milch aus ihrem umfellten Euter.

Kühe und Rinder sind leider grausame Beispiele für die Optimierung unserer Nutztiere: eine Hochleistungskuh gibt bis zu 20.000 l Milch im Jahr, lebt allerdings nur vier bis fünf Jahre. Die „analoge“ Kuh etwa 6.000 l mit einer Lebenserwartung von 20 Jahren. Das zeigt das Buch: Lampert ist ein Verfechter für Tierhaltung in ihrer natürlichen Umgebung. Mit großer Empathie und Liebe für Tier und Halter sieht er Kühe nicht als Nutztiere sondern Gefährten.

Wir erfahren in dieser Hommage alles über Abstammung, Lebensraum, Bestände, ihr Wesen und ihre Besonderheiten. Spannend sind auch die Verbreitungswege über die Ozeane hinweg. Die Fotos sind durchwegs hervorragend, manche verlieren durch übermotivierte Bildbearbeitung etwas von ihrer natürlichen Ausstrahlung. Wenn Hintergründe zu stark abgesoftet oder Rinder zu stark konturiert werden. Aber immer zeigen sie Würde, Gelassenheit und Einzigartigkeit der Tiere.

Das Buch ist gleichermaßen für Wissensdurstige und Ästheten. Von wegen blöde Kuh! Ihr einzigartiger Blick betört uns, Kühe sind einfach kuhl.


(c) teNeues

© Die Kuh – Eine Hommage von Werner Lampert, erschienen bei teNeues, € 49,90, www.teneues.com

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Schluss mit Schnitzel! Ganz Wien tanzt den Umami-Walzer. Mit einem g’schmackigen Japan-Kochbuch.

Mit jeder zusätzlichen Ethno-Küche füllt sich unser Gewürz- und Zutatenregal. Und muss nach Jahren des Nicht-Gebrauchs und Überschreitens des MHD um ca. 10 Jahre entrümpelt werden. Das Team des Wiener Restaurants Mochi (eines unserer Lieblinge) hat jetzt ein Kochbuch vorgelegt, das unbedingt zusammen mit guten Freunden ausprobiert werden sollte.

Warum also jetzt nach mit Georgien und Norwegen gefüllten Tellern auch noch japanisch kochen? Die japanische Küche setzt konsequent auf den Eigengeschmack frischer Lebensmittel und ernährt uns gesund durch Fisch und Gemüse (als Beigabe gibt’s eine hohe Lebenserwartung). Sie ist leicht und sehr bekömmlich, nicht zuletzt durch das Weglassen von Milchprodukten. Und jetzt bietet sie auch noch Spaß fürs Kochen in bester Gesellschaft. Der Umami-Geschmack ist übrigens  nach süß, sauer, salzig und bitter die fünfte Grundrichtung des guten Geschmacks, zu finden z.B. in Parmesan oder getrockneten Tomaten, in asiatischen Soja- und Fischsaucen oder eben in unserer bekannten Streuwürze von Knorr. Übersetzen würde man es mit geschmackvoll und würzig, von  Glutamat-Bomben der convenience-Küche soll hier keine Rede sein.

Es fällt sofort auf, dass das Buch mit Liebe für das gedruckte Wort und Bild gemacht ist. Das Buch ist in Optik und Haptik einfach ein toller Schmöker: du nimmst es gerne in die Hand, blätterst vor und zurück, lässt es aufgeschlagen liegen. Es ist mit vielen Details ausgestattet, die dich analog begeistern: fetter Einband mit „Bauchbinde“, dicker Karton, Farbschnitt, verkürzte Informationsseiten in anderer Papierqualität. Da musst du erst einmal viel Mut aufbringen, Sojasaucen- und Ölflecken auf dem Buch zuzulassen. Trau dich, das gibt die richtige Patina.

Der Grundgedanke des Buchs liegt im Titel IZAKAYA: es geht ums gemütliche Trinken. Und damit das ausdauernder geht, isst man kleine Happen zu Bier und Sake. Eine gute Tischrunde, eine offene Küche mit kommunikativen Köchen und das Teilen und Probieren verschiedener Speisen schaffen das Wohlgefühl. Am ehesten vielleicht mit einer Tapas-Bar oder einem ausgedehnten Aperitivo vergleichbar.

Ob ich gleich mit der gebratenen Hühnerhaut starten werde, bezweifle ich. Aber das mehrschichtige Omelett mit Bergkäse klingt sehr gut, wenn auch formal anspruchsvoll, denn es sollte mit Stäbchen gerollt werden. Kochregel Nummer 1: gelassen die japanische Perfektion mit italienischer Leichtigkeit und Mut zur Lücke kombinieren, wenn nicht gleich alles optisch gelingt. Die Speisen-Fotos sind ein Angebot an die Hobbyköche, kein Muss für den perfekten Nachbau. Außerdem auf meiner Startliste: gegrillter, wilder Brokkoli (wenn ich ihn finde) mit Erdnüssen, Miesmuscheln mit Limette und Zitronengras und schließlich spare ribs mit Rettich und Chilisauce. Die Spieße mit Herz, Magen und Leber vom Huhn grill ich lieber mal für mich alleine.

Für den Start müssten für Koch-Normalos basics wie Sojasauce, Fischflocken und –brühe, Sake, süßer Reiswein und Reisessig genügen, damit das Gewürzregal nicht gleich überquillt. Wer sein Essensangebot perfektionieren will, kauft lieber später nach. Alle Zutaten werden gut erklärt, das in Japan beliebte Walfleisch wird politisch korrekt nicht verwendet.

Die allgemeinen Texte mit Botschaften über Familie, Freunde, Zusammenhalt und Stimmung lesen sich wie PR für die Mochi-Restaurants im II.Bezirk. Die Rezepte hingegen sind ohne Schnörkel und gut umsetzbar beschrieben und lassen Spielräume am Herd – geschmacklich kann nichts schief gehen. Leider taucht der Herstellungsleiter des Buchs nicht bei den Team-credits auf, seine kreative Ideen tragen maßgeblich zum Charme des Buchs bei.  Das Buch habe ich vom Verlag – wegen der starken Mediennachfrage – nur digital als pdf bekommen, Nachbar Ben hingegen lieh mir sein Original. Digital ist es lediglich eine bunte Rezeptsammlung. Mit dem echten Paper-Book bekommst du richtig Lust auf Japanisch kochen und auf Japanisch-kochen-lesen. So macht man tolle Bücher!

Mochi, IZAKAYA  € 30 |  in deiner Lieblingsbuchhandlung oder z.B. hier

Dreissig Kerzen für deinen game boy! Und ein 8-bit-Geburtstags-Ständchen.

Im April 1989 wurden in Japan die ersten Gemu Bois verkauft. Dreissig Jahre später gibt es einen guten Grund seine digitale Kindheit mit game boy, Super Mario und dem russischen Spiel Tetris hervor zu kramen. „The Nostalgia Nerd’s Retro Tech – Computers, Consoles & Games“ zeigt uns die zu ihrer Zeit besten Systeme von Atari bis Xbox.

Als „Nostalgia Nerd“ sammelt der Autor Peter Leigh seit Jahren Retro-Konsolen und -Computer für seinen erfolgreichen YouTube Kanal. Jetzt stellte er die digitale Sammlung in einem Buch zusammen. Reich bebildert zeigt es, dass computer gaming für den Hausgebrauch schon in den siebziger Jahren verfügbar war, z.B. mit dem 4KB Apple II von 1977. Das englischsprachige Buch erinnert an die unterschiedlichsten Gerätetypen samt der jeweiligen „must plays“ und „must avoids“. Die hohe Zeit der Computer games waren die 80er und 90er Jahre mit einem Feuerwerk an Neuentwicklungen.

Der game boy war so frech und nahm die Mobilität der smart phones vorweg. Überall und zu jeder Gelegenheit spielen: auf dem Autorücksitz, beim Besuch bei Tante Hilde und unter der Schulbank. Technische Limitierung nervte noch nicht und Streaming war Lichtjahre entfernt. Erst die Nullerjahre mit den neuen spielerischen smart phone-apps läutete das Runden-Ende für Konsolen der ersten Generationen ein.

Wir haben uns einfach daran gewöhnt, uns in immer kürzeren Abständen mit der jeweils besten smart Technik zu optimieren. Retro Tech ruft uns den Reiz der Limitierung in Erinnerung zurück. Nicht alles ist möglich. Ein netter Ausflug in die Welt der kaum erkennbaren Pixel-Haufen und der sparsamen 8-bit-sounds. Less can be more, zumindest für einen Schmökernachmittag.

The Nostalgia Nerd’s RETRO TECH – Computers, Consoles & Games,  € 16,50 | in deiner Lieblingsbuchhandlung